Raglan Tales 22.01.2017
Meerliebe zum Surfen
Nachdem ich mich in Auckland auf Land, Leute und Zeitverschiebung eingestimmt habe, ist Raglan und Umgebung ca. 150 Kilometer weiter südlich (aber weiterhin auf der Nordinsel Neuseelands) meine erste Berührung mit der wilden schönen Natur des Landes. Der Ort selber ist mit ein paar tausend Einwohnern eher als eine Kleinstadt unter ganz vielen zu bezeichnen, dank einer tropischen grünen Natur, eines malerischen kilometerlangen Strands und einem der besten Surfspots der Welt aber beliebtes Ausflugsziel für Kiwis und Zugereiste wie mich. Untergekommen bin ich in einer tropischen Yoga-Hippie-Welt namens Solscape voller Tipi -Zelte, ausrangierter Eisenbahnwaggons (in genau so einem sollte ich hier 12 Tage wohnen) und Hängematten umgeben von einem faszinierenden Regenwald am Fuße des Mount Karioi. Als ich zum ersten Mal die Aussicht zum Meer mit seinen schier endlos einlaufenden Wellen erblicke bin ich sprachlos. Auf so viel Schönheit war ich nicht vorbereitet, aber genau wegen solcher Ausblicke war ich ja ins Paradies am Ende der Welt gereist.
A propos Wellen. Meine erst vor kurzem entfachte Liebe zum Ritt auf eben jenen klang ja bereits das eine oder andere Mal auf ekvidi durch (hier zum Beispiel…). Abgesehen von der üblichen Glückseligkeit durch sportlicher Betätigung im schönsten Element der Erde ist die Surferei nämlich eine einzige große Metapher des Lebens: Es geht beim Wellenreiten darum, zu erkennen, welche Wellen einen tragen, welche in Wahrheit verwirbelt und fies verströmt sind und welche dir überhaupt keinen Auftrieb geben. Darum, zu verstehen, dass die Energie der Natur unendlich ist und dass nach jeder Welle eine neue kommt, mit der Kraft einer persönlichen Weltreise. Wir sind es aber, die entscheiden, an welcher Stelle und zu welchem Zeitpunkt wir ins Wasser gehen und wie weit wir hinauspaddeln möchten. Je weiter wir raus wollen, je mehr Wellen werden uns entgegen kommen die uns das Gleichgewicht rauben werden, wenn wir nicht mit Ihnen umgehen können. Aber je weiter wir uns ins offene Meer hinaus kämpfen, so unangenehm es oftmals ist, desto länger, kraftvoller und schöner wird unser Ritt danach werden. Wir verstehen im Meer, dass alle Kraft und Technik nichts nützen können, wenn das Timing nicht stimmt. Wir lernen im Wasser das Aufstehen und Fallen und dass jeder Wellenritt irgendwann einmal vorbei sein wird. Surfen macht glücklich und wellenweise und so fühlt man sich als Wellenreiter wie in einer harmonischen Schwingung, als wäre der Mensch auf dem Brett die Komplementärfarbe zum Meer.
A propos Meer. Auch am anderen Ende der Welt versucht der Spät-Kapitalismus das Paradies auf Erden zu zerstören. Es geht um Sand. Viel Sand. Nach Wasser ist Sand der meistverbrauchte Rohstoff der Welt. Sand steckt zum Beispiel in Gläsern, Kosmetika oder Smartphones. Mit Abstand das meiste gelbe Gold wird jedoch für den weltweiten Bauboom gebraucht: Denn um Beton herzustellen, braucht man sehr, sehr, sehr viel Sand. Warum geht dafür nicht einfach in die Wüste, wird sich der geneigte Leser an dieser Stelle fragen. Nun: Wüstensand ist zu fein zum Bauen. Es muss Sand aus dem Meer sein. Und dafür sollen hier in Raglan und anderswo an Neuseelands Küsten jedes Jahr 30 bis 50 Millionen Tonnen Sand vom Meeresboden abgetragen werden. Hauptsächlich, um den Bauboom in China zu befrieden. Dafür müssen bis zu 500 Millionen Tonnen des Meeresgrunds aufgewühlt und abtransportiert werden – pro Jahr. Das entspricht einem verheerenden Eingriff in die Natur in der Größe von zehn Fußballfeldern – pro Tag! Mit katastrophalen Folgen für das Meer und seine Bewohner. Seit über 10 Jahren kämpfen örtliche Bürgerinitiativen gegen diesen Wahnsinn… mit offenem Ausgang. Mehr Infos und Quelle der Infografik: www.kasm.org.nz Weitere Erkenntnisse: Hitchhiken in Neuseeland fetzt. Meistens hält das erste Auto am ausgestreckten Daumen an und nimmt einen mit. Kann das in Deutschland nicht bitte genauso sein? Apropos Auto: Ab Mitte der Woche werde ich hoffentlich auch über selbiges verfügen. Dafür fliege ich als nächstes nach Christchurch auf der Südinsel, eine Stadt mit tragischer Geschichte, aber dazu mehr beim nächsten Mal. Fortsetzung folgt…
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