Christchurch Tales 29.01.2017
Aus den Trümmern
Überall in Neuseeland heißt es stets und immer wieder: „No worries“. An meinem dritten Anlaufpunkt der 75 Days of New Zealand ist das ein wenig anders. Gelandet bin ich in Christchurch, jener Stadt, in der sich am 22.2.2011 von einer Sekunde zur anderen durch ein verheerendes Erdbeben alles verändert hat. 185 Menschen kamen ums Leben, eine deutlich höhere Zahl wurde verletzt und die Innenstadt liegt seitdem zu großen Teilen in Schutt und Steinen. Ein bedrückender wie auch faszinierender Ort, denn neues Leben und viel Straßenkunst gedeiht auf den Ruinen. Aber der Reihe nach: Eine wirkliche Schönheit ist Christchurch erst einmal nicht. Riesige Ausfallstraßen, endlose Suburbias und eine wenig prosperierende Wirtschaft vermitteln dem Neuankömmling den Eindruck von wenig Anschaulichem. Aber auch hier gilt: Oftmals entsteht Liebe erst auf dem zweiten Blick. Und wenn man genau hinschaut, kann man auch in Christchurchs Vororten stimmungsvolle Motive finden…
Eine Stadt von vielen also, bis man das vom Erdbeben betroffene Gebiet betreten hat. Eine Ruine reiht sich neben die andere in Christchurchs Downtown, Hochhäuser sind erstarrt in nicht betretbare Nutzlosigkeit, ein architektonischer Friedhof, der erahnen lässt, wie sich das Leben von einer Sekunde auf die andere vollständig veränderte oder ausgelöscht wurde. Doch es entsteht ein neues Christchurch sechs Jahre nach der Katastrophe. Nach und nach werden die vom Erdbeben erzeugten Lücken durch spektakuläre Neubauten gefüllt, eine Mischung aus Ruinen und schöner neuer Bauwelt, die mir aus Berlin nur zu bekannt ist. Dazwischen fährt eine der süßesten Straßenbahnen dieser Erde, auch wenn ihre City Tour an den zerstörten Gebäuden vorbei bizarr wirkt. Die mittlerweile wieder vollständig hergestellte New Regent-Street mit ihren mehr als sehenswerten Bauten aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts vermittelt ein Gefühl dafür, wie schön Christchurchs Innenstadt einmal gewesen sein muss. Es waren vor allem die Gebäude aus dem 19. und 20. Jahrhundert, die dem Erdbeben nicht standhalten konnten. Besonders beeindruckend: 185 weiße Stühle wurden aufgestellt, jeder einzelne steht für einen Menschen, der beim Erdbeben ums Leben kam, von der Babywiege bis zum Rollstuhl.Je mehr ich mich durch Christchurchs verwüstete Innenstadt bewege, desto mehr fühle ich mich an Berlin erinnert. Der Grund dafür ist neben dem ruinierten Antlitz die allgegenwärtige Streetart. Viele der jetzt nicht mehr nutzbaren Gebäude wurden für die Bemalung mit Murals und Graffiti freigegeben und eine internationale Künstlerschaft hat in den letzten Jahren aus dem Grab der Steine eine beeindruckende Freiluft-Galerie entstehen lassen. Für viele Häuser ist es die letzte Ehre, sie sind zum Abriss bestimmt, aber erst einmal sind sie schöner geschmückt als je zuvor. Allein für diese Straßenkunst lohnt der Besuch in Christchurch, einem Ort, der einen erschaudern und bewundern lässt zugleich.
Doch genug von großen Städten. Ich habe jetzt endlich meinen Campervan und es rufen Natur und Landschaft. Fortsetzung folgt…
(Zum Vergrößern / Galerie auf die Fotos klicken)