Global denken, lokal tanzen

BERLIN TALES 24.09.2014

Die Welt ist in Gefahr und das nicht erst seit gestern: Der menschengemachte Klimawandel bedroht unser Leben auf der Erde und das der kommenden Generationen. Anlässlich des in dieser Woche stattfindenden UN-Klimagipfels in New York gingen am vergangenen Wochenende Hunderttausende Menschen auf der ganzen Welt für mehr Klimaschutz auf die Straße – es sollte die größte Klimademonstration aller Zeiten werden. Auch in Berlin trafen sich am letzten Sonntag viele Tausende, um vor den Folgen der Erderwärmung zu warnen – Öko-Business as usual, könnte man meinen. Aber im sozialen Protestbiotop der deutschen Hauptstadt sehen Demonstrationen mittlerweile ein wenig anders aus. Statt mit grimmiger Mine und erhobenem Zeigefinger zogen die Protestler lachend und tanzend durch die Straßen. Frei nach dem Motto: Lebe den Wandel. Eine Fahrraddisco mit mobilen Soundsystemen und eine Silent Climate Parade mit Kopfhörern machten diese ganz andere Form des Auf-Die-Straße-Gehen möglich.


Als ich Nachmittags am Neptunbrunnen unweit des Alexanderplatzes ankomme, sind die Vorbereitungen für die Silent Climate Parade bereits im vollem Gange. Heißt in diesem Fall: Es werden tausende Kopfhörer ausgegeben, die alle per Funk den Klang & Ton der auf der Parade auflegenden DJs und der Redebeiträge empfangen. Mit vielen kreativen Plakaten und Verkleidungen ausgestattet zieht die Demo los gen Brandenburger Tor und den staunenden Touristen wird ein absurdes Bild geboten: Menschen, die scheinbar ohne Grund tanzen, lachen und klatschen – der Demozug ist von außen leise, die Musik kommt allein aus den Kopfhörern. Das vom Ekvidisten gerne zitierte Motto „If I can’t dance to it, it’s not my revolution“ (welches der US-amerikanischen Aktivistin Emma Goldman zugeschrieben wird, ganz sicher ist diese Herkunft aber nicht) wird an diesem Sonntag im Berlin eindrucksvoll gelebt.

Ich bekomme zwei grüne Streifen ins Gesicht gemalt. Der eine steht für meine eigenen Anstrengungen, meine CO2-Bilanz zu verbessern und der zweite dafür, dass ich meine Mitmenschen motiviere, es mir gleich zu tun. Denn kaum ein anderes Problem der Gegenwart hat soviel mit dem eigenem Handeln zu tun: Brauche ich wirklich ständig neue Technik? Sollten es Äpfel aus Neuseeland sein? Muss ich auf kurzem Strecken das Flugzeug nutzen? Brauche ich wirklich ein Auto, um zur Arbeit zu kommen? Muss es jeden Tag Fleisch auf dem Teller sein? Wer diese Fragen für sich mit nö beantworten kann, ist an diesem Sonntag in Berlin richtig. Und stellt fest: Ich bin nicht allein. Auf überflüssiges zu verzichten bringt einen großen Gewinn – für die ganze Welt und für jeden Einzelnen. Wir sind das Lachen und das kann man eh nicht kaufen.

 

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Als ich am Brandenburger Tor ankomme und dort den Fusion-erprobten und ganz großartigen Seth Schwarz, mollono.bass und monolink lausche, während Seifenblasen durch die Luft schweben, Hulahoops geschwungen und Frisbees geworfen werfen, fühle ich mich wie auf einem kleinen Festival mitten in Berlin – was auch daran liegen mag, dass ich vertraute Gesichter aus der diesjährigen Festival-Saison treffe. Menschen, die ich ansonsten kaum auf Klima-Demos erwarten würde. Und genau das ist der Clou der Silent Climate Parade: Kilmabewegte Leute auf die Straße zu locken, die ansonsten keine Lust auf eine staubtrockene Demonstration haben würden. Und ganz nebenbei zu zeigen, wie viel schöner die Stadt wäre, wenn die Straßen Platz für tanzende Menschen und nicht für motorisierte Dreckschleudern böten. Nicht der Verzicht wurde an diesem Sonntag im spätsommerlichen Berlin zelebriert, sondern der Gewinn. An Gemeinsamkeit, Nachhaltigkeit und Lebensfreude. Ohne Liebe keine Revolution.
Mehr Infos zur Silent Climate Parade findest Du hier: http://climateparade.org

 

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