Katharsis
Katharsis

Der Raum ist aus

Berlin Tales 27.05.2019

Tanz um das goldene Grab

Eine Stadt im Wandel – auf kaum einen anderen Ort wie Berlin der letzten 30 Jahre passt diese an sich leere Marketingphrase. Als sich die Stadt nach dem Mauerfall voller Ideen und noch mehr Baulücken neu erfinden wollte (noch so eine Phrase), war die Off-Szene sofort präsent und entwickelte in Berlin eine Art soziokulturelles Biotop. Doch seit der Spätkapitalismus Anfang der 2000er Jahre unter dem Deckmantel der neuen deutsche Hauptstadt an die Spree zog, befindet sich dieses Biotop in einem permanenten Überlebenskampf, den es perspektivisch nicht zu gewinnen gibt, denn ein Merkmal der Berliner Untergrundszene ist stets der Versuch, Freiräume fernab der kapitalistischen Verwertungslogik zu schaffen. Freiräume zahlen sich zwar für den sozialen Zusammenhalt der Zivilgesellschaft aus, rechnen sich aber meistens finanziell nicht. Berlin, ein trauriges Spiel also? So weit ist es zum Glück noch lange nicht, denn wenn die Kulturszene dieser Stadt etwas stets beherrschte, dann die Adaption ihres Wirkens auf die gegebenen Umstände. Ein Abgesang, ja, aber eben mit viel Gesang, und so begruben am vergangenem Donnerstag VertreterInnen der hiesigen Off-Kulturszene (darunter viele MacherInnen bereits oder künftig vergangener Orte) Berlins Freiräume mit einem funkelndem Trauerumzug durch Moabit symbolisch und praktisch zu Goldgrabe. Bei allem Ernst und Trauer der Lage, wer so bunt und kreativ das Ende einer Epoche betrauert hat diese Stadt noch lange nicht aufgegeben. Und es bleibt dabei, Berlin unterliegt dem permanenten Wandel und der betongraue Mehltau des Spätkapitalismus kann auch ganz schnell wieder Risse bekommen. Und bis dahin tanzen wir auf den Gräbern der guten alten Zeit.

Galeria Katharsis

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