Train Tales 26.01.2022
Wieder in den Süden
Mit dem Zug von Berlin nach Italien – vor 80 Jahren noch war das als direkte Verbindung möglich, per Riviera-Express reisten die Menschen damals im Schlafwagen vom Anhalter Bahnhof ohne umzusteigen bis nach Neapel. Auch wenn Nachtzüge mittlerweile ihr erfreuliches Comeback feiern, von solchen durchgehenden Verbindungen können wir immer noch nur träumen. Trotzdem hat sich das Fernreisen auf Schienen in Europa in den letzten Jahren deutlich verbessert und das ist erst der Anfang, denn gerade im Süden Europas entstehen zur Zeit immer neue Hochgeschwindigkeitsstrecken. Vor zwei Jahren hatte ich bereits erzählt, wie schön es sich von Berlin nach Marokko ohne Flugzeug reisen lässt (Link). Im letzten Herbst sollte es nach Italien gehen, genauer gesagt nach Sizilien als erstes Ziel und danach nach Apulien – dieses Mal nicht allein und natürlich wieder ohne Flieger.
Bahnfahren ist günstig, macht viel Spaß und lässt Dich fragen, wozu wir früher Flugzeuge für solche innereuropäischen Strecken genommen haben. Grundsätzlich gilt: Mit der Eisenbahn bekommst Du viel mehr zu sehen als mit dem Flieger. Neben der Tatsache, dass Du nicht in einem barbarischen Akt die Lebensgrundlage für die kommenden Generationen zerstörst, ist das für mich der wichtigste Grund, nur noch am Boden zu verreisen. Plane is over. Natürlich ist das Flugzeug schneller. Mit dem Zug ist die An- und Abreise aber schon bzw. noch Teil des Abenteuers und Du kannst ganz nach Deinen Vorlieben entscheiden, an welchen Orten Du Zwischenstops einlegen möchtest. Allerdings musst Du Deine Route mindestens drei Monate im Voraus planen und buchen, nur so bist Du wirklich günstig unterwegs und kommst easy für unter 150 EUR von Berlin zum Beispiel nach Sizilien. Was es auf unserem Italien-Trip zu sehen und zu beachten gab, darum soll es hier heute gehen…
1. Station: Bozen
Dauer der Fahrt von Berlin: Knapp 9 Stunden (inkl. umsteigen in München)
Kosten: 50 EUR bei Buchung der ganzen Strecke über Webseite der Deutschen Bahn (Super Sparpreis Europa ohne Bahncard)
Wie war die Fahrt? Von Berlin geht es mit dem fixen ICE nach München, nach kurzer Umsteigezeit nimmst Du den EuroCity der Österreichischen Eisenbahn Richtung Bologna. Der ÖBB-Zug ist mega bequem, es gibt regelrechte Sessel in den Waggons, selbst in der Zweiten Klasse, und die Fahrt kommt Dir nie lang vor. Morgens in Berlin losfahren und am späten Nachmittag schon in Südtirol die traumhaft schöne Berglandschaft erkunden, ein Zwischenstopp in der schönen Natur rund um Bozen lohnt sich auf jeden Fall.
2. Station: Florenz
Dauer der Fahrt von Bozen: Ca. 3 Stunden im High-Speed-Zug der italienischen Eisenbahn
Kosten: Ab 30 EUR bei Buchung „Super Economy“ über Webseite der italienischen Bahn. Italien hat ein sehr gut ausgebautes Hochgeschwindigkeitsnetz, diese Züge (Frecciarossa und Frecciargento genannt) sind allerdings verhältnismäßig teuer im ansonsten sehr günstigen Bahnland Italien – außer Du buchst wirklich sehr zeitig, am besten mehrere Monate im voraus. Dann kostet auch ein HighSpeed-Trip wie in diesem Fall nur 30 EUR (ansonsten eher das Doppelte). Es gibt aber stets billigere (und langsamere) Alternativen mit „normalen“ Zügen, die auch noch kurzfristig für einen schmalen Euro gebucht werden können, die Entscheidung liegt bei Dir, wie Du reisen möchtest.
Wie war die Fahrt? Nachdem wir Südtirol hinter uns gelassen haben, rasen die roten „ICE-in-schön“-Züge so schnell, dass mensch sich fast wünscht, aus Gründen der Aussicht doch die langsamere Verbindung genommen zu haben. Nach kurzem Sprint ist Florenz erreicht und wow – endlich so richtig Italien! Was für eine schöne Stadt, und sei es nur für einen Tag.
3. Station: Rom
Dauer der Fahrt von Florenz: Ca. 3 1/2 Stunden in einer Art Regional Express. Mit einem Hochgeschwindigkeitszug ließe sich die Strecke schneller bewältigen, aber wir wollten dieses Mal mehr von der Landschaft sehen.
Kosten: 15 EUR bei Buchung über Webseite der italienischen Bahn.
Wie war die Fahrt? Wer durch Italien reist, landet irgendwann mit Sicherheit in Rom, der ewigen Stadt mit dem Charakter eines einzigen großen antiken Museums. Wie eingangs beschrieben, lassen wir uns Zeit auf dem Weg dahin (die schnellen Züge wären in der halben Zeit angekommen) und sehen dafür mehr. Und hören mehr… Die Waggons aus dem letzten Jahrtausend rumpeln ganz schön durch die Gegend, dabei fällt einem auf, wie viel ruhiger und komfortabler Bahnfahren in den letzten Jahren geworden ist. Aber für 3 1/2 Stunden passt das schon.
4. Station: Neapel
Dauer der Fahrt von Rom: Knapp 2 Stunden im Intercity. Günstig und gut.
Kosten: 15 EUR bei Buchung über Webseite der italienischen Bahn.
Wie war die Fahrt? Die italienischen Intercitys sehen von der Farbgebung ein bisschen aus wie bei uns (nur das Symbol einer lachenden Sonne verrät sofort, dass wir in Italien sind) und eignen sich super, um schnell und komfortabel durch’s Land zu düsen. Extra-Luxus wie einen Speisewagen gibt es hier zwar nicht, aber wer isst schon in einem Zug, wenn er im Land der Pizza und Pasta unterwegs ist. Spannend: Der ultramoderne Bahnhof in Neapel tut alles dafür, wie ein kleiner Flughafen zu wirken. Falls hier doch mal wer Sehnsucht zur alten Zeit der Fliegerei verspürt…
5. Station: Catania (Sizilien)
Dauer der Fahrt von Neapel: 7 1/2 Stunden im Intercity inklusive Überfahrt mit der Fähre.
Kosten: 23 EUR bei Buchung über Webseite der italienischen Bahn. Wie großartig ist das denn bitte? Für 23 EUR auf einer fast 600 Kilometer langen malerischen Strecke und dann noch eine Schiffsfahrt inklusive.
Wie war die Fahrt? Das Highlight der Fahrt ist auf jeden Fall die Fährfahrt auf der Meerenge von Messina. Dafür rollen die Waggons erst in den Bauch des Zuges und die Passagiere können dann an Deck Meeresluft schnuppern. Aber auch der Teil auf den Schienen kann sich wirklich sehen lassen, im komfortablen Zug rauschen wir ganz nah am Meer durch die Landschaft.
Tadaaa! Nach knapp 2.500 Kilometern und 25 Stunden reiner Fahrzeit verteilt auf vier Abschnitten sind wir auf Sizilien. So einfach geht das. Die Insel an der Südspitze Italiens hat übrigens ein gut ausgebautes Eisenbahnnetz und so geht die Reise natürlich auf Schienen weiter.
6. Station: Siracusa (Sizilien)
Dauer der Fahrt von Catania: Knapp 2 Stunden im Regionalzug
Kosten: 8 EUR über Webseite der italienischen Bahn. Dass die italienische Bahn abseits der Highspeedstrecken sehr günstig ist, erwähnte ich ja bereits.
Wie war die Fahrt? Entspannt im Regionalzug, alles sehr modern und bequem. Aus dem Fenster großes Kino zwischen traumhaften Landschaften und apokalyptischen Industrie-Ruinen.
7. Station: Palermo (Sizilien)
Dauer der Fahrt von Siracusa: 4 1/2 Stunden im Regionalzug einmal quer über die Insel.
Kosten: 18 EUR über Webseite der italienischen Bahn.
Wie war die Fahrt? Im gemächlichen Tempo durch das Herz der Insel vorbei am mächtigen Vulkan Ätna passieren wir eine imposante Berglandschaft und schauen den Ziegen und manchmal auch Menschen zu. Ein Trip wie eine Sightseeing-Tour, nur dass dass das Vorankommen und Erleben hier zusammengehören. Am Ende erreichen wir Palermo, das erste Ziel unser großen Fahrt und eine Stadt zum Verlieben. Hier könnte mensch gut leben, wenn es einmal mal in Berlin zu grau wird. Rund um Palermo gibt es auch noch viel zu sehen, ob schöne Strände oder malerische Wanderrouten. Natürlich alles gut zu erreichen – mit der Eisenbahn.
8. Station: Neapel
Dauer der Fahrt von Palermo: 9 Stunden im Intercity. Zurück dauert die Fahrt länger als auf dem Hinweg, weil wir ewig beim Verladen auf die Fähre zurück auf das italienische Festland brauchen. Es gab mal die Überlegung, eine milliardenschwere Brücke über die Meerenge zu errichten, das Projekt kam dann aber doch in die Schublade G wie Größenwahn. Uns würde es heute vollkommen ausreichen, wenn wir nicht nach dem Ausladen aus dem Schiff erstmal ewig herumstehen würden.
Kosten: 27 EUR über Webseite der italienischen Bahn.
Wie war die Fahrt? Zur Erklärung, warum wir überhaupt zum Over-Stoppen nochmal nach Neapel gereist sind: Unser nächsten Ziel ist Apulien und leider gibt es keine direkte Zugverbindung entlang der Küste von Sizilien aus. Deshalb müssen wir erst wieder in das Landesinnere zurück. Wer will, kann aber mit dem Bus abkürzen. Aber fancy ist das dann halt nicht. Du kannst das natürlich ganz anders machen und Dir einen anderen Ort als Neapel zum ersten Festmachen auf dem Festland suchen. Die Fahrt zieht sich ein bisschen (siehe oben), aber belohnt mit der schönen Schiffsfahrt und der magischen Landschaft.
9. Station: Polignano a Mare (Apulien)
Dauer der Fahrt von Neapel: Eigentlich (siehe unten) ein bisschen mehr als 5 Stunden im Intercity mit Umstieg in eine Bummelbahn in Bari.
Kosten: 27 EUR über Webseite der italienischen Bahn.
Wie war die Fahrt? Die Eisenbahn ist ein komplexes System, und während AutofahrerInnen Staus und Zeitverluste als geben hinnehmen, hat fast jedeR von uns eine Anekdote zu verpassten Anschlüssen und Verspätungen parat. Auf dieser Strecke sollte es uns leider auch ereilen, der eigentliche Zug fiel wegen einer Streckensperrung aus und so mussten wir auf eine Ersatzroute umbuchen, die eine zweistündige Busfahrt über Berg und Tal enthielt. Aus 5 Stunden wurden so 8 Stunden Fahrt, dafür kennen wir jetzt viele kleine Bergdörfer in der Region.
10. Station: Bologna
Dauer der Fahrt von Polignano a Mare: 7 1/2 Stunden im Intercity.
Kosten: 23 EUR über Webseite der italienischen Bahn.
Wie war die Fahrt? Tschüss Meer, jetzt geht es wieder in den Norden, gewohnt unaufgeregt im mittlerweile so vertrauten Intercity mit dem Sonnenlogo. Bologna ist schon wieder ein ganz anderer Schnack als die ganzen kleinen Küstenorte der letzten Tage, eine StudentInnenstadt mit norditalienischem Flair und traumhaften Wanderwegen drumherum.
11. Station: Berlin
Dauer der Fahrt von Bologna: 12 Stunden, der längste Ritt der Reise.
Kosten: 50 EUR bei Buchung der ganzen Strecke über Webseite der Deutschen Bahn (Super Sparpreis Europa ohne Bahncard). So ist also auch geklärt, wieviel die Bahnfahrt von Berlin nach Apulien kostet: Für ein bisschen mehr als 70 EUR bist Du dabei. Von Apulien kommst Du übrigens sehr gut mit dem Schiff nach Griechenland, aber das ist eine andere Geschichte…
Wie war die Fahrt? 12 Stunden Zugfahren hört natürlich erstmal wenig attraktiv an, zumal ja durchgehend eine Maske getragen werden muss in Zeiten wie diesen. Da der längste Teil der Reise von Bologna bis München aber wieder im urgemütlichen Eurocity der ÖBB bewältigt wird und auch der ICE ab München zwar sachlich kühl, aber erträglich, mit bis zu 300 km/h durch die Landschaft düst, vergeht die Zeit wie im Zuge…
Noch mehr Fotos von den einzelnen Stationen findest Du hier: Link