ODENSE TALES 10.09.2015
Eine Annäherung in drei Akten
Einer der wichtigsten (und wenigen) Berliner Bodenschätze dieser Tage ist bekanntermaßen die Electro-Feierkultur. Enthemmt-hedonistische Techno-Partys im „Berlin-Style“ sind ein weltweiter Exportschlager und so kam es bereits im letzten Jahr zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen dem dänischen Distortion-Festival und dem Berliner Ke//er aus Neukölln, der seitdem auf eben jenem Kopenhagener Stadtfest eine eigene Bühne stellt (Ekvidi kommt an dieser Stelle ins Schwelgen: http://www.ekvidi.net/vier-tage-im-juni/).
Am letzten Wochenende fand nun in der Studentenhochburg Odense (ca. 150 Kilometer westlich von Kopenhagen) ein Ableger der Distortion-Sause unter dem Namen „Karrusel“ statt. Wieder mit eigener Bühne für die Abschlußparty am Samstag dabei: Der Ke//er aus Berlin. Und somit auch Ekvidi als Chronist. Genauso wie die große Schwester Distortion ist auch das Karrusel mehr Stadtfest als Festival und am ehsten mit der Fête de la Musique vergleichbar. Überall in der Stadt gibt es über das ganze Wochenende hinweg kleine und große Musikbühnen, einige davon sind kostenfrei zugänglich, während für die großen Stages an meist historischen Orten ein für dänische Verhältnisse moderater Eintritt zu zahlen ist.
„Rave in Odense is like Donald Trump in a library“, hatte man mich vorab gewarnt und ich bin gespannt, was die Musik- und Lichtkünstler vom Ke//er und mich in der drittgrößten Stadt Dänemarks erwarten würde. Odense sehen… und raven? – eine Annäherung in drei Akten.
1. Akt: Willkommen in Odense
Odense hat knapp 175.000 Einwohner und versprüht den hübschen aber spießigen Charme einer historischen Kleinstadt. Feels like Göttingen oder Celle. Wirklich schön: Das Schloss Odense samt Schlossgarten. Direkt daneben entsteht die Bühne des Ke//ers. Kann man hier raven?
Neben schönen Schlössern ist Odense auch voller historischer Gebäude wie dem Grand Hotel aus dem Jahr 1897. Wie lange die beiden Damen schon davor sitzen, ist nicht bekannt.
Eine kleine Tausch-Bibliothek im Stadtpark.
Während der Nächte verwandelt das Karrusel-Festival die Innenstadt von Odense in einer große Partymeile. Tagsüber geht es deutlich gediegener zu wie z.B. beim großen Gemeinschaftsdinner in der Fußgängerzone (es gibt Lachs, was sonst?!).
Kleine Gässchen, viele Fahrräder und typisch nordische Gemäuer: Odense entspricht vielen skandinavischen Klischees.
Aber auch das ist Odense: Wer ein bisschen sucht, findet nicht nur versteckte Street-Art in einer ansonsten graffitifreien Stadt, sondern auch richtig schöne Murals.
Aus Ermangelung an Zeit (das Karrusel-Festival endet jede Nacht bereits gegen Mitternacht) wird schon am zur frühen Stunde der Festival-Substanz Nummer eins gefröhnt: Dem Alkohol.
Damit man nicht Gefahr läuft, zu lange nüchtern zu sein, begegnen einem überall mobile Shots- und Cocktail-Verkäuferinnen. 50 Kronen sind übrigens mehr als 7 EUR.
2. Akt: Das Karussell beginnt sich zu drehen
Das Karussel zum Karrusel-Festival. Wer noch nicht komplett betrunken ist, kann hier sogar mitfahren.
Während der Alkoholpegel kollektiv steigt, bereiten sich die Odenseaner langsam auf eine wilde Nacht vor, die einen vergessen machen wird, sich in einer possierlichen (Klein-) Stadt zu befinden.
Function One im Wohnblock? Weil es geht.
Das Karrusel in Odense orientiert sich an Superlativen. Alles muss möglichst groß, laut und bunt sein und Feuer darf natürlich auch nie fehlen. Was wie eine Aufnahme aus einem Club aussieht, ist in Wirklichkeit eine der vielen Bühnen in der Innenstadt.
Freitag Nacht: Während in der Odenser Fußgängerzone der Bass kein Halten mehr kennt, entsteht die Ke//er-Bühne direkt an der fast 800 Jahre alten Klosterkirche Skt. Hans am Schlossgarten. In Deutschland wohl undenkbar: Die Kirche ist Teil des Lichtkonzepts und wird von innen verschiedenfarbig beleuchtet. Auf dem Dach stehen darüber hinaus Laser-Projektoren und vier Nebelmaschinen geben der ganzen Angelegenheit die gehörige Portion Pathos. Lichtkünstler Artisan Pmt Philipp vom Ke//er überprüft in dieser Nacht ein letztes Mal sein Leuchtwerk.
3. Akt: Es werde Licht und Ton. Oder: Thank you, Jesus
Samstag Abend mit Bongbeck @ Karrusel. Zur finalen Party hat der Ke//er den schönstmöglichen Ort für seine Bühne bekommen: Eine Stage im Innenhof einer alten Klosterkirche. Das DJ-Zelt stammt übrigens noch von der diesjährigen Distortion in Kopenhagen, seine genaue Herkunft ist allerdings dubios.
Zusammen mit ausgeleuchteten historischen Gemäuern entsteht eine magische Stimmung. Einer der Veranstalter wird später rufen: "Thank you, Jesus, thank you, Ke//er." Nun denn...
Schwerter zu Pflugscharen und Kirchen zu Rave-Kulissen.
Als Schlussact im letzten Akt: Powel und Acud vom Ke//er-Label.
Tanz an der Kirken-Stage.
Samstag Nacht um Eins: Das war's. In Odense enden Partys, wenn sie in Berlin beginnen. Trotzdem: Nicht nur der Ke//er sagt Danke.
In Kürze bricht der Sonntag Morgen an, die finale Party und damit das Karrusel sind Geschichte, aber immer noch herrscht eine erleuchtete Stimmung in der Stadt. Auch wenn hier vieles anders als im vertrauten Berlin abläuft: Odense kann sich raven lassen.
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Doris
Also das war ja schon das zweite Karrusel 😉
Jason Krüger
Stimmt…