autofreiberlin
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How to block your Kiez

Berlin Tales 01.12.2019

Verkehrswende selber machen

Wenn ich nicht gerade nach schönen Augenblicken linse, nehme ich mit meinen Freunden die Verkehrswende selbst in die Hand und verwandle lärmende Betonpisten in flummytrunkene Blockparaden. Das ist die Geschichte von autofreiberlin, einer kleinen Berliner Freundes-Initiative, die Mut machen soll, für seine Interessen auf die Straßen(n) zu gehen und zeigen soll, wie einfach das eigentlich ist. Und wieviel Spaß es macht, seine Stadt zu verändern.

Es war letztes Jahr im Spätherbst, als ich mit Herzensmenschen ausheckte, wie wir unseren Unmut über die Dominanz des umwelt- und menschenfeindlichen Automobils im Stadtverkehr zum Ausdruck bringen können. Obwohl der Straßenverkehr eine der größten CO2-Verursacher ist, obwohl das Auto als Verkehrsmittel des letzten Jahrhunderts für Flächenfraß, Unfälle und Gestank steht, traut sich die Berliner Politik (trotz grüner Verkehrssenatorin!) immer noch nicht, Fahrrädern, FußgängerInnen und dem Nahverkehr eindeutigen Vorrang zu geben. Weniger als ein Drittel der Wege wird in Berlin noch mit dem Auto zurückgelegt, trotzdem bekommt es zwei Drittel des Platzes, macht das Fahrradfahren zum lebensgefährlichen Adrenalinrodeo und klaut uns allen die gesunde Luft zum Atmen. Es gibt so viele Menschen in dieser Stadt, die Tag für Tag mehr als genervt sind von den motorisierten Blechlawinen und diesen Mitmenschen wollten wir eine Stimme geben. Also setzten wir eine kleine Webseite auf (www.autofreiberlin.de), meldeten uns in den sozialen Netzwerken an und entwickelten das Konzept der Blockparaden. Unsere Idee: Wir wollen nicht nur Demos veranstalten, sondern schon mal vorleben, wie schön und anders der urbane Straßenraum werden kann, wenn er nicht nur als Roll- und Stehfläche für Autos genutzt wird. Demonstrieren und Flanieren, Flummys statt Feinstaub! Und dabei eben den Autoverkehr blockieren. How to block your Kiez!


Blockparade #1 (16.2.2019)

Im Februar diesen Jahres war es dann soweit, die allererste Blockparade fand im Friedrichshainer Südkiez rund um die Niederbarnimer Straße statt, mehr noch ein Probelauf mit unseren Freunden als eine richtige Demo und die Megafone gaben wir den Kindern, weil die im Zweifel eh mehr zu sagen haben, wenn es um die Zukunft geht.


Blockparade #2 (11.5.2019)

Die erste Blockparade machte unglaublich viel Spaß und wir wussten: Das machen wir wieder. Für die nächsten Unterfangen haben wir erstmal richtige Banner gemalt und uns als das kommende Ziel eine richtig große Aufgabe als Flanierort ausgesucht: Die Hermannstraße in Berlin-Neukölln. Für den Mai meldeten wir die Blockparade #2 an und bewarben es rechtzeitig auf Facebook, Twitter und Instagram – was früher der Handzettel war, ist heute eben das Internet. Nachdem wir in Friedrichshain um die 50 Menschen waren, hofften wir dieses Mal auf mehr Resonanz… und trauten unseren Augen kaum, welch große Wellen wir schlugen. Hundertfach wurden die Beiträge geteilt, Presse und TV meldeten sich bei uns und so kamen trotz Nieselregen 500 Verbündete zur zweiten Blockparade. Die Mischung aus konkreten Forderungen (bessere Fahrradwege, besserer Nahverkehr, weniger Platz für Autos) und Utopien (eine Innenstadt ganz ohne Autos), einfach mal so gefordert und auf die Straße getragen… das schien den Leuten zu gefallen. Eine Rebellion der TräumerInnen.


Blockparade #3 (15.6.2019)

Nach dem großen Erfolg in Neukölln hatten wir es uns zum Ziel gesetzt, sich in der schon seit Jahren bestehenden autofrei-Bewegung in Berlin besser bekannt zu machen. Es gibt so viele großartige Initiativen, die mit ganz konkreten Konzepten Druck auf die Politik ausüben und unsere Wahl fiel auf die AnwohnerInnen-Initiative „Autofreier Wrangelkiez“ in Kreuzberg. Die dritte Blockparade sollte also eine Hommage an die tollen Leute werden, die nicht nur mit Flummy in der Hand funkelnde Blockparaden ausrufen, sondern die dringend nötige Verkehrswende durchplanen und einfordern. Bei saharaesken Temperaturen ging es im Juni bei der Blockparade #3 dann also von der Oberbaumbrücke in den schönen Wrangelkiez. Klein, aber fein…


Blockparade #4 (10.8.2019)

Mittlerweile hatten wir Tausende Freunde auf Facebook, Twitter und Co, Hunderte Newsletter-Abonnenten und das Gefühl, Teil einer großen Sache zu werden. Mit diesem Rückenwind gingen wir August die nächste Auto-Albtraum-Piste an: Die Neuköllner Sonnenallee. Wie immer flugs über Social Media mobilisiert, ein paar Plakate aufgehangen und die Blockparade #4 bei der der Polizei angemeldet – viel mehr Arbeit macht es nicht, die Verkehrswende selber in die Hand zu nehmen. Es sollte unser größter Streich werden, dieses Mal kamen weit mehr als 500 BlockerInnen auf die autobefreite Allee, die Abendschau berichtete, das spanische Fernsehen genauso, alles irgendwie surreal.

 


Blockparade #5 (26.10.2019)

Nach unserem Sonnenallee-Streich waren wir wohl endgültig in der Berliner AktivistInnen-Szene etabliert. Reportagen bei Radio Eins, Flux FM und Arte, Praktikums-Anfragen und Einladungen für Vorträge. Schon witzig, wenn mensch bedenkt, dass wir ja eigentlich nur 5 Freunde mit autofreien Flausen im Kopf sind. Bei der Ausgestaltung der fünften und letzten Blockparade in diesem Jahr ging es uns vor allem um die kulturelle Ausgestaltung. Also luden wir zur Blockparade #5 explizit Soundbikes ein und es kamen so viele, dass sogar Dr. Motte am Wegesrand stand. Außerdem zum ersten Mal am Start: Die Politik, die uns in Form des Baustadtrats von Friedrichshain-Kreuzberg bessere Fahrradwege versprach. Mit ihm gemeinsam zogen wir musikalisch durch Kreuzberg… if you can’t dance to it, ihr kennt es… Nach dieser Blockparade war klar: Niemand braucht Diesel-LKWs, um einen ordentlichen Demorave auf die Straße zu bringen.

Ein Jahr autofreiberlin. Was wir gelernt haben: EineR ist keineR, zwei sind mehr als eineR, sind wir aber erst zu dritt, machen alle anderen mit! Und das kann jedeR von Euch. Macht es uns einfach nach und geht für Eure autofreien Interessen auf die Straße. Es ist einfach, legal und macht richtig viel Spaß. Wie mensch eine Demo in Berlin anmeldet, steht hier:

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Zum Schluß dieser kleinen Retrospektive möchten wir unseren Dank aussprechen an alle, die Teil dieser unglaublichen autofreien Reise waren. Das war richtig schön! Autofreie Liebe! Wir sehen uns alle wieder, 2020 auf den Straßen Berlins.

 

Mehr Infos findest Du hier:

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