Fête de la forêt

Hambacher Tales 09.10.2018

Rettet den Wald!

Der Hambacher Forst ist der wohl zur Zeit bekannteste Wald Deutschlands. Tief im Westen zwischen Köln und Aachen gelegen, gehört er mit seinem einzigartigen Ökosystem zu den letzten großen Mischwäldern Mitteleuropas, ein rheinischer Urwald voller Vielfalt. Von seinen ursprünglich über 4.000 Hektarn sind heutzutage jedoch nur noch weniger als ein Zehntel vorhanden, denn unter dem Wald befindet sich Braunkohle und mit ihr kann man nicht nur prima das Klima ruinieren, sondern auch viel Geld machen. Dabei hat der Hambacher Wald eine mehrere Jahrtausende alte Geschichte, die bis in die letzten Eiszeit vor 12.000 Jahre zurückreicht. In den jetzt noch stehenden Resten des Forsts finden sich Stieleichen und Hainbuchen, die über 300 Jahre alt sind, der Wald bietet vielen Zugvögeln einen Zwischenstopp und wird von Waldkäuzen, Fledermäusen und Haselmäusen bewohnt – ein schützenswertes Naturparadies also, wenn da nicht die eingangs erwähnte Kohle wäre.

Der Hambacher Forst in seiner ganzen Schönheit

Vor 40 Jahren verkauften die umliegenden Gemeinden den gesamten Wald für ein kleines Handgeld an den Energieriesen RWE, jenem börsennotierten Konzern, das für direkte Zuwendungen an Kommunal- und Landespolitiker unrühmlich bekannt ist und welcher dank Lobbyausweisen im Deutschen Bundestag ein und aus geht. Seit damals wird jedes Jahr die Fläche von 100 Fußballfeldern gerodet, nicht besser ergeht es den Dörfern mit ihren alten Häusern, Kirchen, Friedhöfen, alles wird dem Erdboden gleich gemacht, um an die darunter liegende Kohle zu kommen, die Bagger dringen dabei in Tiefen von über 450 Metern vor, aus einem der schönsten Wälder Europas wird das größe Loch das Kontinents. Dabei ist das Verbrennen von Braunkohle die dümmste Art der Energiegewinnung, denn das Verstromen dieses endlichen fossilen Brennstoffs gilt als einer der Hauptursachen für den Klimawandel und Deutschland produziert bereits jetzt so viel Strom, dass es überschüssige Energie ans Ausland abgeben muss und dafür jedes Jahr Millionenbeträge draufzahlt.

This ain’t Star Wars… mit diesem Bagger entstellt RWE unseren Planeten

Die Erde erwärmt sich bedrohlich und was machen wir? Wir holzen die letzten Urwälder ab. „Aber können die danach nicht einfach neue Bäume pflanzen?“, werden sich einige von Euch jetzt vielleicht fragen, aber so einfach ist das leider nicht. Der bereits zerstörte Teil des Hambacher Forsts soll bis zum Ende (!) dieses Jahrhunderts zum zweitgrößten See des Landes werden, also schon mal keine Bäume. Die werden zwar tatsächlich woanders geplanzt, aber nicht in zusammenhängenden Gebieten und außerdem dauert es Jahrhunderte, bis sich ein solch komplexes Ökosystem wie das des Hambacher Forsts entwickeln kann. Und ein Wald besteht nicht nur aus Bäumen. Wer einen Wald wegbaggert, zerstört damit auch das Grundwassersystem, was wiederum weitreichende Auswirkungen hat. Felder und andere Wälder in der Region vertrocknen deswegen, insgesamt werden bis zum geplanten Tagebauende fast 45 Milliarden Kubikmeter Grundwasser abgeschöpft worden sein. Die Entwässerung dringt dabei bis in Tiefen von 550 Metern vor. Es wird Jahrhunderte dauern, bis sich nach Beendigung der Tagebautätigkeiten wieder natürliche Grundwasserverhältnisse einstellen. Wenn überhaupt.

Reste eines zerstörten Baumhauses in großer Höhe

Wahrscheinlich hätte niemand so wirklich Kenntnis von dieser Umweltsauerei genommen, wenn nicht vor einigen Jahren radikale Umweltschützer*innen die letzten Waldreste besetzt und eine Infrastuktur mit Baumhäusern in schwindelerregenden Höhen errichtet hätten. Um den Wald roden zu können, mussten diese erstmal geräumt werden und so entstand in diesem Herbst einer der größten Polizeieinsätze des Landes, über 4.000 Beamte waren über Wochen im Einsatz, auf etwa 1 Millionen Arbeitsstunden schätzt die Gewerkschaft der Polizei den Aufwand, und es ist es kein Zufall, dass in letzter Zeit Nazihorden ungehindert durch deutsche Städte ziehen können… die Polizei war ja mit der Zerstörung von Baumhäusern beschäftigt. Am Ende hat der weltweit Schlagzeilen machende Einsatz an die 50 Millionen Euro gekostet, ein Fotograf stürzte beim Dokumentieren tragisch in den Tod, andere Aktivist*innen wurden verletzt, festgenommen, vertrieben, doch alles war für die Katz bzw. Fledermaus, denn gerade als das letzte Baumhaus geräumt war, stellte ein Gericht dank einer Klage von NGOs fest, dass bisher nicht sorgfältig genug geprüft wurde, was aus den im Wald lebenden und vom Aussterben bedrohten Bechsteinfledermäusen wird und verbot bis auf weiteres jede Form der Rodung. Der Aktienkurs von RWE brach ein, die Polizei zog wieder von dannen, neue Baumhäuser entstehen und die für das vergangene Wochenende geplante Großdemo zur Rettung des Walds wurde zum Hambacher Festival.

Hambacher Festival (Dank an Luisa Lamm für das Foto und Anstehen am Pressesteiger!)

Über 50.000 Menschen aus ganz Deutschland kamen am 6. Oktober zusammen, um gemeinsam die vorläufige Rettung des Hambacher Forsts zu feiern, es wurde die größte Anti-Kohle-Demonstration in der Geschichte der Bundesrepublik und noch viel mehr: Ein generationenübergreifender Auftakt einer neuen Bewegung, die die Interessen der Menschen und der Natur vor den Profitinteressen einzelner Konzerne stellt und fragt: Wie möchten wir in Zukunft leben?

Galeria Hambacher Forst

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https://hambacherforst.org/
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