Sinnes erwachen Hasel horst

HASELHORST TALES 24.08.2015

Sommer in Berlin, das heißt an jedem Wochenende: Viele, viele nicht angemeldete basseske Free-Open-Airs. Aber eben auch: Viele, viele Polizeieinsätze, denn was Maschinen und Motoren in der Nacht dürfen, darf der Mensch noch lange nicht: Laut sein.  Wie also umgehen mit den illegalen Draußen-Partys in der Stadt? Ein Ansatz lautet: Brachliegende Freiflächen abseits der Wohngebiete offiziell für Open-Airs zur Verfügung zu stellen. Dann werden die geplagten Innenstädter nicht mehr um den Schlaf gebracht und das Berliner Feiervolk kann sich ebenfalls ungestört dem bunten nächtlichen Electro-Hedonismus hingeben. Soweit zumindest die Theorie.

Aber der Reihe nach: Seit dem Frühjahr dieses Jahres organisierte der Verein Kulturersatz in Kooperation mit der Clubcommission Berlin und der IHK Berlin das Dialogprojekt „Geplantes Chaos“. In mehreren Podiumsdiskussionen wurden Akteure der lokalen Partyszene und Verantwortliche aus Politik, Verwaltung und Polizei zusammengebracht, um gemeinsam das Problem des illegalisierten Nachtlebens zu lösen. Als ein Ergebnis der Gesprächsreihe hat der Bezirk Spandau jetzt eine erste offizielle Freifläche gegenüber vom Klärwerk Ruhleben für spontane Freiluftpartys zur Verfügung gestellt – und an diesem Wochenende fand mit dem „Sinneserwachen“ das erste legale Openair eben hier statt. Organisiert und liebevollst dekoriert von einer großen Schar freier Kulturschaffender, Künstlerkollektive und Helfer, ohne Eintritt, dafür mit zwei Floors, malerischen Sonnenuntergängen am Wasser und Bier für wenig Geld. Nimm Dir Essen mit, wir fahren nach Haselhorst… und nehmen die U7…

Nach gefühlt endlosen 40 Minuten durch den West-Berliner Bausumpf der 70er und 80er Jahre halten wir im futuristisch gestalteten U-Bahnhof mit dem schön absurd klingenden Namen Haselhorst. Ein Trampelpfad durchs Industriegelände später und wir erreichen das Sinneserwachen und sind erstmal baff: Das fühlt sich ja hier an wie ein richtiges Festival: Zwei aufwendig gestaltete Floors, Lichtinstallationen aller Orts, Dixis mit lebewesenfeindlicher Duftaura, einer schöner Bar und buntem Food-Court, mehreren Chill-Out-Flächen direkt am Wasser und, und, und… Zum Vergleich: Das (zugegeben unsagbar maue) Secrets Festival vor einer Woche war weniger aufwendig dekoriert – und hier kostete das Ticket 69 EUR, beim Sinnenerwachen hingegen ist der Eintritt frei. Eine weitere Überraschung: Wirklich voll ist das Gelände nicht. Aus Angst, die Veranstaltung könnte aus dem Ruder laufen, wurde das Event so geheim wie möglich gehalten – und so feiern an diesem Wochenende nur ein paar Hundert das erste legale Free-Open-Air in Berlin. Wirklich beeindruckend: Der Sound. So laut und bombasstisch schallt die Musik in Richtung Industriebrache, kein Draußen-Floor in der Berliner Clublandschaft kann da mithalten. Zumindest bis Samstag Nacht. Denn ein Versprechen kann dieses Wochenende nicht einlösen: Das der Konfliktfreiheit mit der Polizei. Dreimal stehen zwei freundliche Herren mit schußsicherer Weste an diesem Abend auf dem Gelände, und obwohl die Veranstalter und der Bezirk eine der entlegensten Flächen Berlins für das Open-Air auswählten – irgendwer fühlt sich anscheinend immer gestört und sei es auch Prinzip. Und so wird die Musik in dieser Nacht irgendwann spürbar leiser und am Sonntag sollte eine der beiden Bühnen gleich ganz abgebaut sein. Schade! Dennoch: Das erste legale Free-Open-Air war ein gelebtes geplantes Chaos in seiner schönsten Form und macht Appetit auf weitere Anwandlungen im zauberhaften Haselhorst.

Korrektur 31.8.2015: In der ursprünglichen Version dieses Artikels heiß es fälschlicherweise, das Sinneserwachen sei von der Club Commission organisiert gewesen. Hinter dieser in Berlin bis dato einmaligen Veranstaltung steckten hingegen sehr viele verschiedene Gruppen, Künstlerkollektive, freiwillige Helfer und Institutionen.

Galeria Sinneserwachen

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  1. Melanie

    Huhu, wer immer diese tollen Fotos gemacht hat … bin die Erbauerin des Käfer-Floors – war etwas ganz besonderes dieses openair gerade weil sich darus viele weitere Zusammen-Arbeiten ergeben haben … würde mich riiiesig freuen die Bilder zur Verwendung zu erhalten – ist das möglich? Danke!

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        1. Melanie

          Guck mal … hier hab ich sie stolz gepostet – hoffe dir gefällts :)! https://www.facebook.com/MelMalerie?ref=hl …Dank Dir! Hast du eigentlich im letzten Plötzlich Jahr noch mehr Fotos gemacht z.B. in den Hallen? War nähmlich u.a. auch mein Werk ;)! Haben nach Durchsicht deiner wirklich tollen Bilder scheinbar eh verdammt viele Schnittpunkte :)!

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